Dienstag, 25. Oktober 2005

TAG 5

Geht langsamer los als befürchtet. Mein Stundenplan ist noch nicht vollgeknallt mit Seminaren, Gesprächen, Sport und Ergotherapie. Heute habe ich nur Schulter/Nackengymnastik und die gefürchtete Gruppentherapie. Alle hassen PLG, was für Problemlösungsgespräch steht. Statt eines Talking-sticks gibt es „Rudi“. Rudi ist ein Hirsch aus Holz. Wer Rudi hat, redet. Muppet Show, irgendwie.
Ich unterschreibe eine Schweigepflichtsvereinbarung – also halte ich mich hier bedeckt über die Patienten und ihre Äußerungen, aber ich darf sicher sagen, dass viele Patienten, die vor dem PLG einen Horror hatten, ihn bestätigt bekommen haben. Die Themenauswahl treffen wir. Eine Patientin hat ein für sie akutes Thema ausgesucht und schildert ihre Problematik so eindringlich, dass bei einigen die Schauer laufen, bei anderen die Scheuklappen zuploppen oder bei wieder anderen die Schuppen von den Augen fallen.
Ich stelle beruhigt fest, dass ich mir das Leid dieser Patientin nicht als Kostüm anziehe. Ich fühle ihr nach, aber ich habe kein Mitleid. Ich diskutiere mit, aber werte nicht. Ich bete innerlich, nie selbst in die Situation zu geraten, in der sie sich gerade befindet: auf einer Bühne, auf der sie uns ihr Leid klagt, und zwar sehr anschaulich.

Beim Abendbrot spricht mich eine Frau, an, die ich noch nicht kennen gelernt habe. Sie sagt mir, dass sie eine Literaturzeitschrift dabei hat – bei Interesse bringt sie sie mir morgen mit. Es hat sich herumgesprochen, dass der Typ mit der protzigen D&G-Tasche Schriftsteller ist.

Heute feiert L. Abschied. Sie war mir in den vergangenen Tagen eine echte Stütze und wir haben quality time miteinander verbracht. Ich werde sie vermissen. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag kommen die Neuen.

D., der attraktive Patient mit der modischen Kurzhaarfrisur und den langärmeligen Shirts, ist Hetero.

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42 DAYS

Sozialphobie ist die dritthäufigste psychische Störung nach Depression und Alkoholismus. Unser Protagonist leidet seit vielen Jahren an dieser Erkrankung. Nachdem ihn die Phobie beruflich und in viererlei Hinsicht auch privat ins Aus katapultiert hat, beschließt er, sich in Behandlung zu begeben. Und weil er es sich nicht leicht machen will und an radikale Methoden glaubt, begibt er sich für eine sechswöchige REHA-Maßnahme in eine Fachklinik für psychosomatische Erkrankungen. An eines hat er jedoch nicht gedacht: dass die Kliniksituation an sich, die ständige Konfrontation mit Patienten und Pflegepersonal, zunächst einmal Futter für seine Ängste sein wird. Anstatt sich in der Klinik aufgehoben zu fühlen, schlägt er dort zunächst ziemlich hart auf.

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